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Ernährung

Der veränderte Fleischkonsum

Ich bin Jahrgang 1954. In der Kindheit und Jugendzeit gab es bei uns nicht viel Fleisch. Fleisch war teuer – ein Luxusgut. Wenn es am Mittagessen zwei Würste gab, war die eine für den Vater und die andere teilte die Mutter mit uns Kindern. Am Sonntag gab es Fleisch. Und ganz besonders natürlich an Weihnachten. Da gab es vielleicht sogar einen Truthahn. Und nach der Feier eine Aufschnittplatte!

Das grosse Erlebnis an den Kindergeburtstagen waren die Hot Dogs. Für jeden ein ganzes Wienerli!

Die Eltern waren geprägt von den Kriegsjahren und freuten sich über den wirtschaftlichen Aufschwung in den Nachkriegsjahren. Der erste Kühlschrank, eine Waschmaschine, später einen VW Käfer und einen Fernsehapparat, natürlich noch schwarz/weiss. Da war ich aber schon in der Oberstufe.

Mit der „Industrialisierung der Fleischproduktion“ sanken die Fleischpreise und damit änderten sich auch die Essgewohnheiten. Fleisch gehört dazu. „Alles andere ist Beilage“, hiess ein Werbespruch. Das Fleisch musste auch nicht mehr offen in der Metzgerei gekauft werden (dort, wo man manchmal noch halbe Schweinehälften aufgehängt sah und wir Kinder vom Metzger noch ein Rädli Wurst bekommen haben). Das Fleisch konnte man nun im Selbstbedienungsladen kaufen. Zwar auch in einer Metzgereiabteilung, und der Verkäufer hatte auch eine weisse Metzgerschürze an. Später dann aber in den grossen Läden, in denen das Fleisch portionengerecht schön verpackt in den Kühlvitrinen lag. Und dadurch verschwand beim Kauf von Fleisch  der Zusammenhang zur Schlachterei. Fleisch ist einfach ein verpacktes Nahrungsmittel. Beim Betrachten der eingeschweissten Koteletts sehe ich nicht das Schwein. Ich werde nicht einmal daran erinnert, dass dies eigentlich Tierleichenteile sind. Und vor allem: Ich sehe nicht das Leid, das besagtes Schwein erleben musste.

Ein Gestell weiter vorne sind die Nudeln. Ja, auch dort sehe ich keinen Zusammenhang mit Getreide. Und bei der Milch – ich weiss nicht, ob es nur eine Wandersage ist – antwortet eine Mehrheit von Kindern auf die Frage, woher die Milch komme „von der Migros“ (oder Aldi oder so) und nicht von der Kuh.

Dass man beim Fleischkonsum keine gedankliche Verbindung mehr zum Tier macht, oder einfach ausblendet und schon gar nicht informiert werden will über die Haltung und Ernährung dieses Tiers, ist wohl eines der Grundübel unseres überbordenden Fleischkonsums.

Dass dieser Fleischkonsum zurückgeht, ist sicher erfreulich (von 2010 bis 2018 ging der Fleischkonsum in der Schweiz um 7% zurück). Die Reduktion des Fleischkonsums durch die Konsumenten ist m.E. die wirksamste Hilfe für die ausgebeuteten (Aus-)Nutztiere.

Der Zusammenhang  mit dem Klima hat viele aufgerüttelt. Ebenso der Zusammenhang mit  Welthunger und Wasserknappheit . Andere verweisen auf die gesundheitlichen Schäden oder Antibiotikaresistenzen durch Fleisch aus der Massentierhaltung. Und wir möchten einfach darauf hinweisen, dass jedes Stück Fleisch von einem Lebewesen stammt, welches Anrecht auf Würde und Wohlergehen hat (Schweizerisches Tierschutzgesetz, Art 1: Zweck dieses Gesetzes ist es, die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen).

KLIMA: Broschüre „das Klima, die Tiere und wir“ von tif tier-im-fokus.ch (info@tier-im-fokus.ch)

NUTZTIERFÜTTERUNG: Artikel „Tiere weg vom Acker“ von Dora Fuhrer in Ökologo 04/19 der Kleinbauernvereinigung ((info@kleinbauern.ch)

WELTHUNGER: Je mehr Fleisch wir essen, desto weniger Menschen können wir ernähren! https://www.vier-pfoten.ch/kampagnen-themen/themen/ernaehrung/welthunger

WASSERKNAPPHEIT: Zur Produktion von einem Kilogramm Getreide werden etwa 100 Liter Wasser benötigt; für ein Kilogramm Rindfleisch etwa 5000 Liter. Thema Versteppung unter: https://www.swissveg.ch/versteppung

GESUNDHEITLICHE SCHÄDEN: siehe „Gesundheitliche Aspekte des Fleischkonsums“, Eidgenössische Ernährungskommission. Gesundheitliche Aspekte des Fleischkonsums – Stellungnahme der Eidgenössischen Ernährungskommission zur aktuellen epidemiologischen Datenlage. Expertenbericht der EEK. Zürich: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, 2014.

ANTIBIOTIKARESISTENZ: Kassensturz vom 15.11.2016, SRF  https://www.srf.ch/news/schweiz/antibiotika-im-tierstall-ein-risiko-fuer-den-menschen

Es ist furchtbar! Nicht nur, dass die Tiere leiden und sterben, sondern der Mensch unterdrückt unnötigerweise die höchste spirituelle Anlage in sich – die Fähigkeit zu Mitleid und Erbarmen mit anderen Geschöpfen, wie er selbst eines ist -, und indem er seinen eigenen Gefühlen Gewalt antut, wird er grausam.   Leo Tolstoi

Martin Grob