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Nutztierdasein

Die Politik der kleinen Schritte – ein Verrat an den Tieren

Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach, heisst ein Sprichwort.

„Du kannst nicht die ganze Ordnung auf den Kopf stellen, setz dich ein für schrittweise Verbesserungen. Das ist auch politisch eher machbar“, hat mir jemand den Rat gegeben.

Der Schweizer Tierschutz STS, eine sehr grosse, anerkannte Organisation, welche gemäss Namen die Tiere schützen will, verfolgt klar die Politik der kleinen Schritte: Auf der Seite www.essenmitherz.ch wird dem Konsumenten geholfen, sich im Label-Durcheinander zurecht zu finden. So ist z.B. das Schweinefleisch „Prix Garantie“ von Coop ein NO GO oder zumindest UNCOOL, hingegen wird das Schweinefleisch „Naturaplan“ mit einem OK ausgezeichnet. Eine gute Hilfe für Fleischkonsumenten, aber keine Hilfe für die Schweine!

Der Schweizer Tierschutz schreibt: „Wir Menschen nehmen für uns das Recht in Anspruch, Tiere auf die verschiedenste Art und Weise zu nutzen. Genau aus diesem Grund sind wir aber auch verpflichtet, Verantwortung für sie zu übernehmen. Denn auch die Tiere haben ihre Rechte. Das Recht auf ein tiergerechtes Leben, auf eine anständige Behandlung, auf Schutz und letztlich das Recht auf einen Tod ohne Angst und Qualen.“

Schöne Wort, wahrlich! Nur: Das Recht auf ein Leben würde doch eigentlich die Nutzung als Fleischlieferant ausschliessen. Oder verstehe ich hier etwas nicht richtig. Beim Menschen heisst das Recht auf Leben doch auch, dass Mord ein Straftatbestand ist.

Der VgT (Verein gegen Tierfabriken) unterstützt die Massentierhaltungs-Initiative nicht. Warum nicht?  VgT schreibt: „Die Initiative „Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)“ schafft die Massentierhaltung nicht ab. Die Initiative fordert nur, dass die Würde der Tiere mindestens so geschützt wird wie in den Bio-Suisse-Richtlinien. … In Bio-Betrieben dürfen pro Stall bis zu 2000 Legehennen oder 4000 Aufzuchthennen gehalten werden. … Es macht für ein Huhn keinen Unterschied, ob es mit 2000 anderen Tieren im Stall lebt oder mit einigen Tausend mehr.“  Ganzer Text: https://www.vgt.ch/news/180618-massentierhaltungsini.htm

Ja, das leuchtet mir ein: Es macht für das einzelne Huhn keinen Unterschied, ob es mit 1999 anderen Tieren im Stall lebt oder mit einigen Tausend mehr!

Dies ist der Verrat an den Tieren: Schau diesem Huhn in die Augen und sage ihm, dass Du nun eine ganz substantielle Verbesserung für sein Leben erreicht hast. Das Huhn wird wohl an Deinem Verstand zweifeln.

Dasselbe mit dem Ringen um Quadratzentimeter Platz für z.B. Mastschweine. Seit 2018 muss den Schweinen nicht nur 0,65 m2 Platz, sondern volle 0,9 m2 gegeben werden. Bei einigem Labelfleisch muss einem Schwein sogar 1,55m2 Platz zugestanden werden. Super Fortschritt! SRF hat es doch in einer Sendung verbildlicht: 10 Schweine haben soviel Platz wie ein durchschnittlicher Autoparkplatz. Dabei sprechen wir nicht vom Schlafplatz sondern vom Lebensplatz! Also auch hier wieder: Schau einem Schwein in die Augen und sage ihm, wie fortschrittlich doch unser Tierschutzgesetz ist. Und dann geh nach Hause in deine schöne Wohnung, in dein schönes Schlafzimmer und schlaf mit gutem Gewissen ein.

Diese kleinen Verbesserungen haben meines Erachtens dazu geführt, dass mir immer wieder gesagt wird, wir hätten doch eines der besten Tierschutzgesetze der Welt. Und diese Meinung impliziert, dass es den Tieren sicher gut geht. Auf jeden Fall besser als im Ausland.

Und genau aus diesem Grunde sind diese kleinen Verbesserungen Augenwischerei und verhindern letztendlich die Möglichkeit einer Verbesserung für die Nutztiere, die das Wort Verbesserung auch verdient hat.

Die Zeit wäre reif dazu. Wenn wir meinen, dass wir heute in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, dann hat sich unser Umgang mit Tieren, allen voran mit den Nutztieren schleunigst und gründlich zu ändern!

Ich halte es mit dem FDP-Politiker Dick Marty: Wenn ich über Ungerechtigkeiten nicht mehr entrüstet bin, werde ich mich nicht mehr lebendig fühlen! 

Martin Grob