Ja klar, logo, selbstverständlich, was ist das für eine Frage, wirst Du mir antworten. Auch ich erachte die Frage als unnötig. Selbstverständlich gibt es nicht nur eine Würde für den Menschen, sondern auch für die Tiere.
Nicht so klar ist die Situation für die Philosophen, Professoren, Rechtsgelehrten etc.
Im Journal Horizonte, welches vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) herausgegeben wird, sind sich zwei Professoren über diese Frage gar nicht einig. Ganzer Artikel unter: https://www.horizonte-magazin.ch/2020/09/03/ist-es-richtig-auch-tieren-eine-wuerde-zuzuschreiben/
Markus Wild, Professor für theoretische Philosophie an der Uni Basel:
„…Tiere haben nicht nur für uns einen Wert, sondern auch für sich selbst. Eigenwert hat ein Tier, weil es ein Leben führen, seine Umwelt mit seinen Fähigkeiten erleben, Angenehmes suchen und Unangenehmes meiden kann. Die Würde der Menschen wird verletzt, indem sie erniedrigt oder gedemütigt werden. Bei Tieren geschieht dies auf ähnliche Weise: Sie werden gebrochen. Sie sind nicht mehr in der Lage, ihre Umwelt gemäss ihren Fähigkeiten zu erleben. … Auch Mastschweine leiden in ihren fetten, manipulierten Leibern, werden eingepfercht gemästet, besamt und kastriert, abtransportiert und geschlachtet. Ihr ganzes Leben ist gebrochen. … Die Würde von Nutztieren wird systematisch verletzt. Dabei geht es nicht allein um das ihnen angetane Leid, sondern dass wir ihr Leben vollständig instrumentalisieren, ihre Fähigkeiten einschränken, ihr Leben nehmen oder sie brechen. … Die Verletzung ihrer Würde ist nicht nur ein moralischer Skandal, sondern mit Blick auf Klimakrise und Pandemien eine Dummheit.“
Peter Schaber, Professor für angewandte Ethik an der Uni Zürich:
„Anders als es unsere Verfassung und das Tierschutzgesetz tun, sollte Tieren keine Würde zugeschrieben werden. Nicht, weil sie moralisch irrelevant wären und man rücksichtslos mit ihnen umgehen dürfte. Vielmehr, weil wir den Tieren damit einen moralischen Status zuschreiben, den sie nicht haben. Würde haben Wesen, die erniedrigt und gedemütigt werden können. Dafür müssen sie sich selbst achten und sich als Wesen verstehen können, denen Achtung durch andere zusteht. Diese Fähigkeit haben Tiere aber nicht, selbst diejenigen nicht, die wie die Menschenaffen ein Bewusstsein ihrer selbst haben. Zur Selbstachtung gehört nämlich ein Verständnis dessen, was andere einem schulden, ein Verständnis von sich als einem Wesen, das anderen gegenüber Ansprüche geltend machen kann. … Hätten Tiere eine Würde, dürften sie nicht zu Nutzungszwecken gehalten werden, nicht einmal auf artgerechte Weise. … Für die geforderte moralische Rücksicht auf Tiere sollte deshalb ein anderes Wort als Würde verwendet werden – ein Wort, das dem moralischen Status der Tiere besser Rechnung trägt. Vielleicht müssten sogar für unterschiedliche Tiere unterschiedliche Begriffe benutzt werden. Tiere haben nicht alle denselben moralischen Status. Menschenaffen ist fraglos etwas anderes geschuldet als Ameisen oder Mücken.“
Als Nicht-gstudierter kann ich in der Debatte mit diesen Professoren nicht mithalten. Ich kann aber in mich hineinhören und spüren: Ja, was Markus Wild sagt, tönt für mich plausibel. Und bei Peter Schaber orte ich genau die Problematik, die Tierwelt in verschiedene Kategorien aufzuteilen. Tiere, welche gegessen werden und andere nicht. Tiere welche durch das Tierschutzgesetz besser geschützt werden, als andere. Tiere, denen mehr geschuldet wird, als anderen.
Und nur, weil die Nutztiere ihr Leid so demütig erdulden und an uns Menschen keine Ansprüche geltend machen, kann man doch nicht sagen, dass sie keine Würde verdient haben, oder?
Noch ein kleiner Hinweis, wenn Du den Artikel im Original anschaust. Beachte die Fotografien der beiden Professoren. Während Markus Wild mit der Windjacke vor einer Fluss- oder Seenlandschaft steht, sieht man Peter Schaber vor einem Bücherregal…