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Nutztierdasein

gelogen, geschummelt oder nur missverständlich ausgedrückt

Ist es gelogen, geschummelt oder nur missverständlich ausgedrückt?

Immer wieder nerve ich mich über Aussagen, welche in den Printmedien gemacht werden. Manchmal steckt wohl eine gut bezahlte PR-Agentur dahinter, manchmal vielleicht auch nur ein unwissender Verfasser.

In einem Prospekt von Denner sehe ich ein ganzseitiges Foto. Es zeigt vor einem neuen Einfamilienhaus mit geschlecktem Rasen eine Kuh (sogar eine Kuh mit Hörner!). Sie liegt zufrieden auf dem Rasen und ein Mensch mit Turnschuhen (anscheinend der Bewohner des Hauses) schmiegt sich Kopf an Kopf an die Kuh. Titellegende: Behandeln Sie jedes Tier wie Ihren besten Freund. Darunter der Satz: Mit dem Kauf von erschwinglichen IP-SUISSE Produkten unterstützen Sie Bauernfamilien, die das Tierwohl respektieren.

Päng! Klare Aussage. Und doch so unwahr. IP-SUISSE  Zustände sind hinlänglich bekannt. Jedenfalls sicher nicht so wie auf dem Bild. Ist ja nur symbolisch gemeint, wird die PR-Agentur sagen. So wie auch der Text. Zum Wort Freund gäbe es noch ein anderes Zitat: Tiere sind meine Freunde – und ich esse meine Freunde nicht.

Und dringend notwendig wäre noch eine Definition vom so arg strapazierten Wort „Tierwohl“. Tierwohl muss doch mehr sein, als nur genügend Futter zu haben…

In einem Artikel im Heft St.Galler Bauer sagt Schweinezüchter Marco Fürer aus Gossau: Massentierhaltung gibt es bei uns gar nicht. Fürers haben 22 Abferkelbuchten und 600 Mastschweine. Eine überschaubare Anzahl Tiere, wie Marco Fürer sagt. Bei den Zuchtsauen wie auch bei den Mastschweinen gibt es Beschäftigung für die Tiere. „Damit sich die Tiere wohlfühlen, erhalten sie eine naturnahe Unterbringung im Stall“. Ich überlege: warum muss Fürer im Stall eine naturnahe Umgebung schaffen, wo doch der Hof mitten in der Natur liegt? Fürer: Müssten wir unsere Ställe oder Ausläufe vergrössern, würde dies auch bedeuten, dass wieder Kulturland verloren ginge! Zynischer geht es wohl nicht mehr. Es macht mich traurig und sprachlos.

Vor der Abstimmung über die Massentierhaltungsinitiative sind in der Tagespresse viele Artikel erschienen. So z.B. am 29. August 2022 im St.Galler Tagblatt eine Reportage über den Betrieb von Jürg Bärtsch aus Rüti bei Lyssach, welcher 17‘213Hühner in einer Halle hält (Masthühner) und Schweinezüchter Matthias Zysset aus Kirchdorf BE. Er hält 110 Muttersauen, deren Ferkel er an die Schweinemastbetriebe  verkauft. Seine  Aussage: „Ich will, dass es meinen Tieren gut geht und überlege stets, was ich bezüglich Tierwohl und Umweltauswirkungen noch verbessern kann.“  Ich meine, dass er gar nicht so lange überlegen müsste. Einfach sich in eine solche Muttersau hineindenken und sich fragen, was er wohl haben möchte, wenn er diese Sau wäre. Wäre er wohl zufrieden mit dem Stall der „zentimeterhoch mit Stroh eingestreut ist“ und mit einer Sprühanlage im Aussenbereich, welche bei warmen Temperaturen alle 30 Minuten eingeschaltet wird.

In der „Schweizer LandLiebe“ erschien ein ganzseitiges Inserat von Lidl. Titel: Tierwohl hat immer Grill-Saison.  Eine sich nicht mehr zu überbietende, scheussliche, zynische, lebensverachtende Aussage! Wieder bin ich sprachlos…

In der Coop-Zeitung fand ich eine Reportage über IP-Suisse. Die  Aussage von Andreas Stalder, IP-Suisse-Präsident: „Wir haben in der Schweiz ja schon das anspruchvollste Tierschutzgesetz der Welt, aber unsere Anforderungen sind immer über die gesetzlichen Vorgaben hinausgegangen. Wir wollen unseren Betrieben eine artgerechte Tierhaltung ermöglichen, ohne die Kosten so in die Höhe zu treiben, dass die breite Masse sich die Produkte nicht mehr leisten kann. Aus diesem Grund haben wir die Tierwohl-Standards in Absprache mit den Konsumentenorganisationen und dem Detailhandel weiterentwickelt“. Entlarvend ehrlich, oder? Tierwohl-Standards haben sich nicht am Tierwohl zu orientieren, sondern an Produktepreisen und Gewinnmargen! Wieder dieses strapazierte Wort „Tierwohl“…

Der Berner Kantonstierarzt Reto Wyss, welcher die Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte präsidiert, äusserte in einem Interview im Tagblatt: „Entscheidend ist, dass die Bedürfnisse des Huhns befriedigt werden. Das hängt nicht davon ab, wie viele andere Hühner in diesem Stall leben. … Es muss scharren und picken können. Entsprechend schreibt das Gesetz vor, dass die Ställe eingestreut sein müssen und diese Einstreu keine Pampe sein darf. … Was ich sagen will: Man muss sich immer fragen, ob mehr Fläche oder weniger Tiere tatsächlich viel beitragen zum Tierwohl. Oder ob aus Sicht des Tieres nicht viel eher andere Faktoren entscheidend sind, beispielsweise das Zusammensein mit anderen Tieren oder geeignete  Ruheplätze.“ Tragisch für mich ist, dass diese Aussage nicht einfach irgendjemand gemacht hat, sondern der oberste Kantonstierarzt der Schweiz. Auch so etwas macht mich einfach sprachlos.

Mantramässig wird von vielen Seiten wiederholt: wir haben das strengste Tierschutzgesetz der Welt. Haben Sie sich auch schon gefragt, ob diese Aussage überhaupt auf einer empirischen Untersuchung fusst? Wahrscheinlich kaum. Aber je mehr man dies hört, desto eher glaubt man wohl am Schluss daran, auch wenn es gar nicht wahr ist.

„Wir würden die Tierhaltung schon verbessern, aber der Konsument will das gar nicht. Man sieht das ja am Absatz der Bio-Produkte“.  Dass Bio-Produkte künstlich teuer gehalten werden und dass vor dem  Konsumenten  die Realität der üblichen Tierhaltung bewusst im Dunkeln versteckt wird, wird ausgeblendet.

Meine Tiere sind ganz zufrieden – sie jammern nicht!

Es macht mich traurig, wie man ungestraft Tatsachen verdrehen, Worte (Tierwohl) überstrapazieren darf und ethische Gedanken einfach ausblendet.

Es macht mich sprachlos, weil ich erlebe, dass Nutztiere keine Unterstützung erhalten, wie es z.B. Haus- oder Wildtiere haben.  Eine Aussage in der Coop-Zeitung:  „Die Tierhaltung in IP-Suisse-Betrieben wird regelmässig von akkreditierten Kontrollstellen und vom Schweizer Tierschutz überprüft. Der WWF beurteilt das Label als empfehlenswert“. 

Diese beiden grossen, bekannten und anerkannten Institutionen sprechen den Nutztieren grundsätzlich das Recht auf Leben und das Recht auf ein artgerechtes Leben im Speziellen ab. Schade.

Zum Glück gibt es noch Organisationen wie  beispielsweise „Tier im Fokus“ (www.tier-im-fokus.ch), Animal Rights Switzerland (www.animal-rghts-switzerland.ch)  Circle of Compassion (www.circle-of-compassion.ch) und Animal Vigil St.Gallen (www.avsg.ch).